Der (gescheiterte) Versuch ein kleines Gewerbe zu betreiben
Meine Motivation
In meinem Artikel „Gibt’s nicht? Mach ich selbst!“ schildere ich, wie ich zu meinem Hobby – dem Arbeiten mit Leder – gekommen bin und wie die Anfragen an mich immer häufiger wurden.
„Kannst Du mir nicht einen Geldbeutel machen?“, „Ich hätte so gerne ein Halsband für meinem Hund. Da soll sein Name und meine Telefonnummer drauf. Machst Du sowas?“ oder „Die Handtasche, die Du für XY gemacht hast, gefällt mir so gut! Was kostet denn so eine bei Dir?“. Solche Anfragen kamen irgendwann mehrfach im Monat. Da es aber nun mal ein Hobby ist (und auch bleiben soll), habe ich mir schon immer die Freiheit genommen nur das zu machen, was mich reizt, vor neue Herausforderungen stellt oder worauf ich gerade so Lust habe.
Da ich alles von Hand nähe und nebenbei auch noch einen richtigen Job habe, dauert es entsprechend lange, bis ich die gewünschten Artikel angefertigt habe. Folglich ist mein ‚Output‘ ziemlich gering – das wird später noch wichtig.
Da ich aber ein gesetzestreuer Bürger (und Steuerzahler) bin, wollte ich nicht in den Verdacht kommen, der Schwarzarbeit zu frönen. Ja, ich weiß, viele denken jetzt, dass ich vielleicht ein klitzekleines bisschen übervorsichtig und genau bin. Dazu kann ich nur sagen: „Stimmt!“. Aber ich habe mich einfach unwohl dabei gefühlt. Bei der Ausübung seines Hobbies sollte man sich aber nicht unwohl fühlen, oder?
Hinzu kam dann noch, dass ich auch einige Sachen ohne Auftrag angefertigt habe. Kleine (und größere) Projekte, die ich einfach witzig fand, bei denen ich neue Techniken ausprobieren konnte usw. Diese ganzen Sachen lagen – und liegen zum Teil immer noch – dann in einer Kiste rum. „Wenn sie niemand sieht, kann sie auch niemand haben wollen“, dachte ich mir. Also kann ich auf die Idee, einfach mal einen Testballon zu starten und einige Artikel bei der Plattform Etsy einzustellen. Das ist eine Internetseite, auf der Menschen aus der ganzen Welt selbstgemachte Dinge zum Kauf anbieten. Die Seite ist ziemlich bekannt und hat jede Menge Nutzer. Allerdings habe ich dann schnell rausgefunden, dass man eine Gewerbeanmeldung braucht, um dort ein Verkäuferkonto zu eröffnen. Ist ja eigentlich auch klar.
Also habe ich mich mit dem Gedanken beschäftigt, den Schritt zu wagen und mein eigenes, kleines Gewerbe anzumelden. Aber ist das nicht mit viel Papierkram, Hürden und Bürokratie verbunden? Muss man dann nicht eine aufwändige Buchführung betreiben, eine komplizierte Steuererklärung einreichen etc.?
Nachdem ich aber viele Videos geschaut, einiges gelesen und auch mit ein paar Leuten gesprochen hatte, die bereits eine solche Gewerbeanmeldung gemacht haben, kam ich zu dem, für mich überraschenden Schluss, dass das doch gar nicht so kompliziert und aufwändig ist. Zur Sicherheit habe ich auch noch mit dem Finanzamt telefoniert, denn da erwartete ich die größten Hürden – jedenfalls für einen Zahlen- und Buchhaltungs-Deppen wie mich. Aber auch dort sagte man mir, dass das alles gar kein Problem und sehr einfach sei. Also los!
Mein Besuch bei der Stadtverwaltung Trier – Ordnungsamt
Völlig unkompliziert und ohne Termin bin ich am 25.04.2022 in Zimmer 1052 aufgeschlagen und auf den sehr freundlichen Herrn B. getroffen. Ich schilderte kurz mein Anliegen, zahlte 40 Euro und zack war ich Unternehmer! Ende der Geschichte.
Naja… So hätte es sein können – in einem Paralleluniversum. Wer mich und meine Anekdoten kennt, ahnt, dass das dicke Ende noch kommt.
Ein bisschen komplizierter war es dann schon. Aber nicht wirklich viel komplizierter. Der Hauptknackpunkt war, dass ich ein präzise benanntes Gewerbe angeben musste, dem ich nachzugehen gedachte. Dieses Gewerbe musste dann auch noch in dem Katalog aufgeführt sein, den Herr B. an seinem PC aufgerufen hatte.
Ehrlich gesagt war ich davon ausgegangen, dass ich einfach ein Gewerbe anmelde und dann machen kann, was ich will. Ledertaschen nähen und verkaufen, Rasen mähen, Hunde ausführen usw. Also alles, was ohne spezielle Ausbildung oder Berechtigung erlaubt ist. Dass ich nicht einfach ein Dach decke oder jemandem ein neues Hüftgelenk einbauen würde war schon klar.
Aber nein! Wir sind in Deutschland und ‚das Kind braucht einen Namen‘!
„So wie ich das sehe, sind sie Sattler.“, meinte Herr B. nachdem ich meine geplante Tätigkeit detailliert geschildert hatte.
„Nein, nein!“ sagte ich „ein Sattler macht ja völlig andere Sachen. Wenn, dann wäre ich eher ein Feintäschner.“
Ich blicke in leere Augen. „Ein WAS?“
Gut, es ist wahrscheinlich so, dass mehr Menschen einen ‚Service rund ums Haus‘ anbieten oder einen Imbisswagen (Pardon! Foodtruck (watt immer noch en Frittenbud‘ uff Rädern is‘!!)) betreiben wollen, als es Menschen gibt, die Lederwaren anfertigen, aber vom Gewerbeamt hätte ich erwartet, dass sie auch den Beruf des Feintäschners kennen. Ich kann auch nix dafür, dass das so heißt!
Wir einigen uns in der Gewerbeanmeldung nach §14 oder §55c der Gewerbeordnung (Formular GewA 1, Punkt 18 – wer wüsste es nicht?) auf die Formulierung ‚Verkauf von selbst erstellten Lederartikel [sic!]‘.
Wenn ich nur geahnt hätte, welchen Ärger mir diese Formulierung noch einbringen würde, hätte ich einfach Kloakentaucher angegeben. Das wäre deutlich entspannter geworden.
Letztlich zahle ich aber 40 Euro und gehe beschwingten Schrittes als Unternehmer nach Hause. Auch wenn ich mir nicht sofort ein Glas Champagner öffne (na, wer erinnert sich noch an die Formulierung und die Platzpatrone die sie rausgehauen hat?), spiele ich ja jetzt doch in der gleichen Liga wie die Gebrüder Albrecht, Susanne Klatten, Hasso Plattner und Werner von Siemens (um nur einige meiner Unternehmerkollegen zu nennen).
Die Tatsache, dass jemand genau vor meine Haustür gekotzt hat und ich es selbst wegspülen muss, erdet mich wieder ein wenig.
Das Finanzamt meldet sich
Nur 7 Tage später erhalte ich Post vom Finanzamt. Es ist ein „Fragebogen zur steuerlichen Erfassung bzgl. der Aufnahme einer gewerblichen, selbständigen (freiberuflichen) oder land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit“. Nicht, dass der Titel sperrig wäre, aber in solchen Momenten ist man dann schon froh Muttersprachler zu sein.
Mit etwas weniger guten Deutschkenntnissen würde man hingegen den etwas unfreundlichen Unterton des Folgenden Absatzes nicht mitbekommen:
„Die Betriebseröffnung oder Aufnahme einer freiberuflichen Tätigkeit ist dem Finanzamt innerhalb eines Monats mit dem Fragebogen zur steuerlichen Erfassung elektronisch anzuzeigen (§ 138 Abs. 1 b i. V. m. Abs. 4 AO). Dafür ist der Fragebogen zur steuerlichen Erfassung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmte Schnittstelle zu übermitteln. Dieser Verpflichtung wurde bislang nicht nachgekommen.“
Kommt das nur mir so vor, oder ist der Ton dieses Schreibens tendenziell eher unfreundlich? Das könnte man, wenn man wollte und dürfte auch anders, freundlicher und verständlicher formulieren. Was sollen die ganzen Abkürzungen in der Klammer bedeuten? Ich habe mir nicht die Mühe gemacht, das zu dechiffrieren.
Außerdem klingt der letzte Satz doch so, als habe ich irgendetwas versäumt oder unterschlagen. Oder nicht? Dabei ist weder der Monat rum (sondern, wir erinnern uns, erst 7 Tage) noch wusste ich vorher etwas davon und der Brief dient ja eben genau dazu mir den Bogen zukommen zu lassen. Warum also dieser Befehlston? Aber vielleicht ist das auch nur spitzfindig von mir. Für jemanden der auf einer Behörde arbeitet ist das sicher ganz normal. Aber der hat sicher auch sein Auto „abgeparkt“ und flüchtet bei Gefahr „fußläufig“. AAAAAAARGH!
Das Ausfüllen des Formulars stellt kein Problem dar und ich übermittle es, wie amtlich vorgeschrieben, elektronisch. Da ich aber am SEPA-Lastschriftverfahren teilnehmen möchte, muss ich den Antrag dazu aber dann doch via good old Snail-Mail (‚postalisch und in Papierform‘) schicken. So weit sind wir dann doch noch nicht digitalisiert, oder wie?
Wie auch immer, das klappt alles ganz reibungslos und ich bekomme wenige Wochen später meine neue Steuernummer. Da ich jetzt Unternehmer bin, habe ich selbstverständlich auch eine Gewerbesteuernummer.
Prima! Alles geklärt, alles geregelt. Was zu tun ist weiß ich auch: Ich sammle meine Belege über den Einkauf meiner Waren (Leder, Kurzwaren, Werkzeug etc.) und schreibe, wenn ich etwas verkaufe, durchlaufend nummerierte Rechnungen. Am Ende werde ich dann eine kleine Gewinn- und Verlustrechnung beim Amt einreichen. Steuern werde ich bei meinen Mini-Umsätzen sicher keine zahlen müssen, das hat mir die freundliche Finanzbeamtin schon in Aussicht gestellt. Läuft!
Und endlich ganz ohne blödes Gefühl und alles rechtskonform.
Dachte ich…
Ein gelber Umschlag der alles ändert
Am 11.08.2022 klingelt der Postbote und übergibt mir persönlich einen gelben Umschlag. Dann will er auch noch ein Autogramm. Ich fühle mich etwas geschmeichelt, denn an derlei Anfragen muss ich mich als frisch gebackener Unternehmer erst noch gewöhnen.
Der gelbe Umschlag beinhaltet ein Schreiben der Handwerkskammer Trier, indem mir mitgeteilt wird, dass ich in die Handwerksrolle eingetragen werden soll. Wie cool ist das denn? Als großer Fan von alten Handwerken und Handwerkstraditionen fühle ich mich ein bisschen geehrt, dass ich jetzt auch noch zu diesem erlauchten Kreis gehöre. Aber Moment mal: ich bin doch gar kein Handwerker! Darunter verstehe ich jemanden der das Handwerk richtig gelernt hat, eine Prüfung vor einem Ausschuss abgelegt hat usw. Ob das also alles richtig ist?
Gespannt lese ich weiter. Von Satz zu Satz wird dieses Schreiben unerfreulicher und grotesker. Dafür, dass ich die Handwerksrolle aufgenommen werde (wovon ich im Übrigen genau gar nichts habe), soll bzw. muss ich ordentlich blechen:
135,00 € für die Durchführung des Eintragungsverfahrens. Hä?
320,00 € Jahresgebühr (ohne Gegenleistung)
100,00 € Bearbeitungsgebühr (damit ist offenbar nicht die Durchführung des Eintragungsverfahrens gemeint).
Ich soll (sorry: MUSS) also den schönen Betrag von 555,- € überweisen. Und zwar pronto! Überweisungsträger liegt bei.
Das muss ein Scherz sein – wenn auch ein schlechter! Was ist denn da nur schief gelaufen? Das kann ja gar nicht stimmen! Ich hab‘ doch keine Fabrik eröffnet. Ich verkaufe ab und zu mal einen Geldbeutel an eine Bekannte. Ein Anruf, und das Missverständnis ist aus der Welt geschafft!
Armer, naiver Larsi…
Telefonlawine in der HWK Trier
Sofort greife ich zum Hörer und rufe die zuständige Sachbearbeiterin an. Ich bin heiter amüsiert über diese lustige Verwechslung und sehr freundlich. Die Dame am Telefon leider nicht. Als ich ihr die Sachlage erklären will, werde ich ziemlich rüde abgewürgt. ‚Das habe alles seine Richtigkeit und sie könne da nichts machen. Sie mache die Gesetzte nicht und ich müsse eben zahlen!‘
Wie bitte? Was ist denn mit dieser blöden Amsel los? Ich will doch nur ein offensichtliches Missverständnis aufklären. Mein Jahresumsatz wird nicht so hoch sein wie diese Gebühren, geschweige denn mein Gewinn. Das ist kein Grund so unfreundlich zu werden!
Vielleicht muss ich an dieser Stelle erwähnen, dass es ein paar Dinge gibt, bei denen meine Zündschnur relativ kurz ist. Unfreundlichkeit und Ungerechtigkeit stehen da ganz oben auf der Liste. Bei offensichtlicher Dummheit ist sie (die Zündschnur) zum Beispiel deutlich länger, denn der/die Betroffene kann ja in der Regel nichts dafür.
Hier steht die Unfreundlichkeit eindeutig im Vordergrund. Scheinbar erhält die Tante häufig solche Anrufe wie meinen, aber wenn ihr das auf den Wecker geht, hat sie den falschen Job. Not my cup of tea, darling!
Weil ich keine Lust habe meine Lebenszeit mit solchen Menschen zu vergeuden, bitte ich sie darum (nicht mehr ganz freundlich), mich mit ihrem Vorgesetzen zu verbinden. „Das geht nicht!“ und zack legt sie auf.
Damit hat sie meine Zündschnur quasi auf 0,001 Millimeter verkürzt. Ich bin kurz davor zu diesem Scheiß-Verein zu fahren und richtig Rabatz zu machen! Jedenfalls sind das meine Gedanken in diesem Moment. Eine Zigarette später habe ich mich wieder beruhigt und gehe das Ganze etwas sachlicher an.
Auf dem Schreiben steht auch die Durchwahl des Abteilungsleiters. Er hebt sofort ab. Geht also doch…
Er ist deutlich professioneller und damit auch freundlicher als die – naja, nennen wir sie ‚Dame‘ – vorher. Zumindest lässt er mich erklären, dass ich keinen Handwerksbetrieb habe, sondern aus reinem Hobby Ledersachen nähe und in eher seltenen Fällen auch verkaufe. Es handelt sich also maximal um ein ‚Kleingewerbe‘.
An dieser Stelle unterbricht er mich mit dem knappen Satz: „Gibt’s nicht! Entweder sie betreiben ein Gewerbe oder nicht.“. Ok, ok, dann ist das vielleicht der falsche Fachterminus, aber es wird ja einen Unterschied geben, ob ich eine Fabrik mir 250 Mitarbeitern habe oder ob ich 5x im Jahr einen Geldbeutel oder ein Schlüsselmäppchen verkaufe? Nein. Den Unterschied gibt es nicht.
Ich bin völlig fassungslos. Mir fehlen in diesem Moment die Worte. Ein Zustand der eher selten bei mir vorkommt.
Das Fazit des Gespräches ist, dass ich ein ‚zulassungsfreies handwerkliches Gewerbe welches eintragunsgspflichtig in der Handwerksrolle ist‘ betreibe. Zahlen oder Gewerbe abmelden. Punkt.
Auch wenn ich mich wiederhole: Ich kann das nicht fassen! Das ist doch gar nicht möglich. Auch das Finanzamt macht ja da Unterscheidungen (abhängig von Umsatz und Gewinn etc.). Was ist denn mit einer Omi (oder einem jungen Mann) die/der Socken strickt, ihre Familie und all ihre Bekannten aber schon welche haben und sie die Socken dann auf einem Dorf-Weihnachtsmarkt verkauft? Muss die auch ihre Bilanz veröffentlichen, Dividenden ausschütten und die Emissionsrendite ermitteln? Geht’s noch? Wie bescheuert und realitätsfern kann ein System denn sein?
Wundert sich da tatsächlich noch irgendjemand, dass es so viel Schwarzarbeit gibt? Später noch etwas mehr dazu – ja, wir sind noch nicht am Ende der Geschichte…
Nun weiß ich, dass vieles in Deutschland komplizierter geregelt ist als in manch anderen Ländern. Hauptberuflich arbeite ich ja im Arbeitsschutz und habe folglich jeden Tag mit EU-Richtlinien und deren Umsetzung in deutsches Recht zu tun. Da wundert man sich nach 20 Jahren in dem Job nur noch über sehr wenig.
Was das ganze Lederthema angeht, bin ich in vielen Facebook-Gruppen in denen sich Menschen aus der ganzen Welt über ihr gemeinsames Hobby (teilweise auch ihren Job) ‚Lederhandwerk‘ austauschen. Wenn ich da sehe, wie es zum Beispiel in den USA mit Handwerkermärkten, Garage-Sales etc. läuft… Tapeziertisch aufstellen, selbstgemachte Artikel draufstellen, verkaufen. Alles kein Problem, alles (in kleinem Rahmen) ohne irgendwelche Anmeldungen, Bescheinigungen oder Formulare. Das erwarte ich in Deutschland gar nicht. Aber ich denke doch, dass es irgendwie möglich sein muss solche Kleinigkeiten legal verkaufen zu können. (Spoiler: ist es nicht!)
Bevor ich nun alles einfach hinschmeiße, will ich mal noch eine Ebene höher nachfragen bzw. mir die ganze Sache nochmal erklären lassen. Denn wie schon mehrfach gesagt: Ich verstehe es einfach nicht.
Also rufe ich einfach beim Präsidenten der Handwerkskammer Trier an. Zu meiner Überraschung werde ich gleich durchgestellt und führe ein mehr als einstündiges Gespräch mit einem sehr, sehr netten Herrn (wirklich!). Erst hört es sich meine Misere an, dann sagt er, was er davon hält. Nämlich gar nichts! 😳
Er ist in allen Punkten völlig meiner Meinung und auch der Ansicht, dass solche Regelungen die Leute dazu bringen, ihr Business einfach unangemeldet und unreguliert auszuüben. Dieser absurde hohe Jahresbeitrag ist für Leute in meiner Situation (und auch bei Menschen, die das in weit größerem Umfang betreiben) überhaupt nicht zu stemmen. „Sie zahlen ja am Ende drauf, wenn Sie Ihre Sachen verkaufen. Sie wären ja blöd, wenn Sie das tun würden.“ Das Gespräch ist ja schon ziemlich lange her und daher gebe ich hier nur sinngemäß wieder, was er sagte – vor allem, weil wir, wie gesagt, über eine Stunde gequatscht haben.
Auch mein Beispiel mit der strickenden Omi führe ich an. Da muss er lachen und erklärt mir, dass auch das Gewerbe der Strickerin ein ‚zulassungsfreies handwerkliches Gewerbe ist, welches eintragunsgspflichtig in der Handwerksrolle ist‘. In der Anlage B zu dem Gesetz zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung), Abschnitt 1, Ordnungszahl 20 nachzulesen.
Kleiner Einschub: da es noch mehr unglaubliche Berufe/Gewerbe gibt, die dort eingetragen sind, hier ein paar Highlights:
- Klöppler und Posamentierer
- Wachszieher
- Modisten
In Abschnitt 2 (handwerksähnliche Gewerbe) wird’s noch besser:
- Rammgewerbe (Einrammen von Pfählen)
- Holzschuhmacher
- Holzblockmacher
- Daubenhauer
- Muldenhauer
- Kunststopfer
- …
Und wir ärgern uns darüber, dass andere Länder uns damit aufziehen, dass unsere Behörden noch Faxgeräte nutzen? Hoffentlich finden die nie diese (immer noch aktuelle) Auflistung.
So humorvoll und freundlich das Telefonat mit dem Herrn Präsidenten auch war, kam dabei doch heraus, dass er das nicht ändern kann. So gerne er das auch wollen würde. Ausnahmen gibt es leider keine und eine Reduzierung des Beitrags ist ebenfalls nicht möglich. ‚Das Trier da noch im Mittelfeld bei der Beitragshöhe liege, tröste mich wohl kaum?‘ Nein. Tut es nicht.
Konsequenz: ich melde mein Gewerbe nach wenigen Wochen wieder ab. Natürlich bezahle ich dafür auch wieder 40 Euro.
Beim Finanzamt muss ich mich auch melden. Also rufe ich dort an und beantrage die Löschung bzw. Änderung meiner Daten. Der nette Herr schaut in meinen Datensatz und meint: „Das ging aber nicht lange!“. Danke für den Hinweis. Hab‘ ich auch gemerkt!
Da er aber scheinbar ehrliches Interesse daran hat, woran es gescheitert ist (und er scheinbar nicht im Stress ist), erzähle ich meine Geschichte. Als ich ende, folgt eine kurze Pause gefolgt von einem „Das ist ja unglaublich!“ seinerseits.
Was dann folgt, ist an Irrsinn nicht mehr zu überbieten. Ich versuche das Gespräch wortgetreu widerzugeben:
„Also ich stelle mir jetzt mal vor, sie sind in einer Kneipe, stehen an der Theke und wollen bezahlen.“
„Ok?!“ Worauf will er hinaus?
„Sie holen Ihren Geldbeutel aus der Jacke und ein Kumpel steht neben Ihnen und sieht das. Ihm gefällt der Geldbeutel und er fragt Sie, ob Sie ihm auch so einen machen können.“
„Ja, soweit kann ich folgen. Und dann?“
„Ja dann machen Sie ihm doch einfach einen! Wen interessiert das denn?“
„Bitte was? Ich spreche ja noch mit dem Finanzamt, oder?“
„Ja, schon.“
„Verstehe ich es richtig, dass Sie mir gerade geraten haben, das einfach ‚schwarz‘ zu machen?“
„Nein, nein! So habe ich das nicht gesagt. Aber Sie verstehen schon was ich meine.“
Ich schwöre, das Gespräch hat so stattgefunden. Mir wird damit klar, dass ich mich mit meiner Aktion vollkommen lächerlich gemacht habe. Sorry, aber offenbar interessiert sich keine Sau dafür, ob sowas ordentlich abgewickelt wird, ob das Finanzamt über Geschäfte Bescheid weiß usw. Nur überzogen gesetzestreue Deppen wie ich, machen sich darum einen Kopf. Oder welchen Schluss zieht Ihr aus der ganzen Nummer?
Ihr habt jetzt schon knapp 3000 Wörter gelesen, aber die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Die Schlusspointe fehlt noch:
Wenige Wochen nachdem ich mich mit der HWK (Handwerkskammer) rumgeärgert habe, bekomme ich ein ähnliches Schreiben von der IHK (Industrie- und Handelskammer). Auch die wollen mir erklären, dass ich in ihrem exklusiven Verein Mitglied werden muss.
Noch an meinem Briefkasten erleide ich einen halb hysterischen Lachanfall. Bei einem Kaffee ziehe ich mir den Scheiß nochmal langsam und genüsslich rein. Sind die denn alle komplett bescheuert?
Im Prinzip kann mir das Schreiben egal sein, denn mein Gewerbe ist ja längst wieder abgemeldet (die IHK hat das Fax sicher erst später erhalten. Wegen eines Staus in der Telefonleitung vielleicht?), aber ich beschließe, dass ich zur Entschädigung für den ganzen Ärger (und immerhin habe ich 80 Euro bezahlt) noch ein bisschen Spaß haben will. Also rufe ich bei der IHK an…
Vor allem möchte ich wissen, warum ich denn bitte Mitglied bei der IHK werden soll, wo ich doch einen ‚Handwerksbetrieb‘ habe: Anlage B zu dem Gesetz zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung), Abschnitt 1, Ordnungszahl 20 ‚Sattler und Feintäschner‘!
Natürlich kann ich mir nicht verkneifen, der Sachbearbeiterin mein fundiertes Wissen der Handwerksordnung krachend um die Ohren zu hauen.
Ihr Konter überrascht und verblüfft mich: „Ja, aber Sie verkaufen Ihre Waren ja auch! Also betreiben sie auch Handel!“
Ja wozu stellt ein Handwerker denn Waren sonst her, wenn nicht zum Verkaufen? – Stille –
Ok, ich versuche es bildlicher und sage zu ihr: „Nehmen wir mal einen Schreiner. Der kauft Holz ein und baut daraus zum Beispiel einen Tisch.“
Sie: „Ja. Und?“
Ich: „Warum baut er wohl den Tisch? Was hat er damit vor? Wird er ihn vielleicht VERKAUFEN?“
Sie: „Das ist ja etwas völlig anderes! Ein Schreiner ist ja ein Handwerker!“
Ich: „? ? ?“
Bei Dummheit ist meine Zündschnur bedeutend länger, wie ich schon erwähnt habe, und unfreundlich ist die Sachbearbeiterin bislang nicht, aber irgendwann habe ich mich auch genug amüsiert und kläre die Dame darüber auf, dass mein Gewerbe längst abgemeldet ist, weil nicht nur die IHK mir den Hals zuhalten will, sondern auch die HWK – nur war die schneller.
Ziemlich angepisst beendet Sie das Gespräch.
Und ich hiermit meinen Bericht über den gescheiterten Versuch, mich korrekt zu verhalten.
Wer also etwas aus Leder haben möchte, kann sich bei mir melden. Vielleicht treffen wir uns ja mal zufällig an der Theke einer Kneipe. 😉
Cheers!




